Eine der vielen Fragen, die ich immer wieder höre ist die, welche Fasern sich denn besonders dafür eignen ein Garn für‘s Socken stricken zu spinnen. Ganz oft werde ich innerhalb des Gesprächs dann nach BFL/Merino mit Nylon gemischt gefragt; am Besten noch superwash…
Mir graust es, ehrlich gesagt, immer davor. Klar stricke ich Socken, auch aus besagten Materialien. Allerdings handelt es sich dann dabei um industriell gesponnene Garne und nicht um handgesponnene.
Wenn ich mir tatsächlich die Arbeit mache und mein Garn für Socken selbst spinne, möchte ich auch meine Trümpfe als Spinner ausspielen. Welche das sind, möchte ich euch nachfolgend aufzählen und erläutern.
Der große Vorteil von uns Spinnern ist, dass wir im Gegensatz zum Wollladen, eine große Vielfalt an Fasern und Materialien nutzen können. Wir sind nicht nur auf Merino, BFL oder Nylon beschränkt, wir können aus verschiedensten Fasern auswählen und entscheiden, welche die für uns am besten geeignete darstellt. Das ist ein riesiger Pluspunkt für uns, denn jede Faser hat unterschiedliche Eigenschaften, die wir optimal nutzen können.
Zum anderen können wir durch die Verarbeitung und Vorbereitung der Fasern auch die Eigenschaften des fertigen Garns maßgeblich bestimmen. Spinnen wir einen Kammzug im kurzen Auszug, bekommen wir ein dichtes, glattes und stabiles Garn. Im Gegensatz dazu, wenn wir ein Batt oder Rolag im langen Auszug verspinnen, bekommen wir ein luftiges, eher unregelmäßiges Garn, das nicht gerne Reibung ausgesetzt ist.
Beim Zwirnen kann ich den Drall gerade so ausbalancieren, dass ich ein schönes lockeres Garn bekomme. Dieses ist nicht sehr stabil und widersteht Reibung nicht sehr gut. Ich kann auch mehr Drall in das Garn geben, sodass es leichten Überdrall besitzt. Es entsteht ein kerniges Garn, das sehr stabil ist und Reibung gut standhalten kann.
Aber genug von den Vorteilen überhaupt spinnen zu können, ich wollte ja über Sockenwolle schreiben.
Wenn mich jemand fragt, was das geeignete Material für Socken ist, tendiere ich ganz klar zu reiner Schurwolle. Reine Wolle hat so viele tolle Eigenschaften:
- Sie kann bis zu 40% ihres eigenen Volumens an Wasser aufnehmen, ohne wirklich nass zu wirken.
- Sie hält unglaublich gut Wärme in ihrem Inneren und schützt uns dadurch vor Kälte.
- Reine Wolle ist umweltbewusst! Tatsächlich kann man Socken aus reiner Wolle ohne große Probleme kompostieren, was bei Kaufgarnen mit Nylon nicht möglich ist (Ok, handgestrickte Socken sollte man eh stopfen! Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema…)
- Reine Wolle ist ein nachwachsender Rohstoff, Nylon wird industriell mit erheblichem Energieaufwand und durch chemische Reaktionen aus Erdöl gewonnen, einem endlichen Rohstoff!
Viele von euch denken jetzt bestimmt, dass reine Schurwolle toll wäre, wenn sie nicht so leicht filzen würde oder die Socken nicht zu schnell Löcher bekommen würden. Tatsächlich kommen wir hier zu dem ersten großen Vorteil zurück, über den ich weiter oben geschrieben habe. Es gibt sehr viele verschiedene Schafrassen, deren Schurwolle ganz unterschiedliche Eigenschaften umfasst, je nach dem, wie die einzelnen Fasern aufgebaut sind.
Grob kann man Schurwollfasern in feine (z.B. Merino), mittelfeine (z.B. Corriedale), langwollige (z.B. Wensleydale), primitive (z.B. Coburger Fuchs) und Down Wolle (z.B. Southdown) einteilen.
Feine- und mittelfeine Fasern neigen eher zum Filzen als langwollige oder primitive Fasern, weshalb ich erstere eher nicht für Socken nehmen würde. Denn seien wir doch einmal ehrlich: Socken werden an Füßen getragen, Füße schwitzen, Füße reiben an Socke und Schuh/Boden, also ideale Bedingungen zum Filzen.
Sicherlich kann man hier darüber nachdenken, dass man das betreffende Garn mit viel Drall spinnt und dadurch ein kerniges Garn herstellt, das Reibung wunderbar trotzen kann.
Eine andere Möglichkeit wäre es sogenannte superwash-ausgerüstete Fasern zu nutzen. Superwash bezeichnet eine meist chemische Modifikation von Fasern, die durch ummanteln oder entfernen der natürlichen Schuppen der Wollfasern dazu führt, dass die Fasern nicht mehr filzen.
Man kann auch feine Wolle mit anderen natürlichen Materialien mischen, wie z.B. Ramie oder langwolligen Fasern, um dem fertigen Garn mehr Stabilität zu verleihen.
Langwollige Fasern zeichnen sich durch einen höheren Durchmesser (Mikron) und eine glatte Oberfläche aus, welche sich durch den wunderschönen Glanz der Fasern zeigt. Diese Fasern sind sehr robust und filzen eher schlecht, ideal für widerstandsfähige Strickwaren, wie z.B. unsere Socken. Beim Spinnen sollte man darauf achten nicht zu viel Drall in die Fasern zu geben, da das Garn sonst wie Stacheldraht werden könnte.
Hier möchte ich auch das Haar der Mohairziege erwähnen, das sich ähnlich verhält und als Beimischung einem Sockengarn eine tolle Stabilität verleihen kann.
Jetzt kommen wir zu einer meiner Lieblingsgattungen, den „Down-Breeds“. Die Fasern dieser Rassen zeichnen sich durch eine relativ kurze Stapellänge aus, außerdem sind sie sehr elastisch und robust. Das macht sie zu den idealen Fasern, um widerstandsfähige Garne zu spinnen. Das Tüpfelchen auf dem i: Die Fasern dieser Gattungen filzen nur sehr schlecht und lassen sich sogar teilweise in der Maschine waschen. Genau, was wir suchen, um das perfekte Sockengarn zu spinnen!
Tatsächlich ist meine persönliche go-to Faser für Sockengarne das Southdown. Eine wirklich tolle Faser mit sehr schönem Crimp, die sich am Anfang vielleicht etwas „kaugummiartig“ verspinnt, aber da gewöhnt man sich schnell dran. Ich verspinne die Fasern meist so dünn wie möglich und zwirne traditionell 3-fädig und mit viel Drall. Das gibt dem Faden noch einmal zusätzlich Stabilität. Nach dem Entspannungsbad flufft die Faser wunderbar auf. Natürlich bekommt man nicht das weichste Garn, aber gerade das verleiht den Socken doch noch einmal einen eigenen Charakter und man gewöhnt sich schnell daran. Ich besitze ein Paar Socken aus Southdown, die mich schon seit einigen Jahren begleiten und schon viele Male die Waschmaschine von innen gesehen haben (natürlich im Wollwaschgang) und immer noch so schön aussehen wie beim ersten Tragen. Alleine deshalb, haben Southdown-Fasern einen festen Platz in meinem Sortiment an Spinnfasern. Ich kann nur immer wieder betonen, wie toll ich diese Fasern finde.
Jetzt ist mein kleiner Überblick zum Thema Sockengarne spinnen doch etwas länger geworden als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Aber ihr seht, die Suche nach den perfekten Fasern ist nicht ganz so einfach und vielschichtiger als man denkt. Nicht jeder mag jede Faser am Fuß oder auf dem Rad, viele machen unterschiedliche Erfahrungen. Was der eine als perfekt ansieht, ist für den nächsten ein No-Go. Deshalb probiert einfach aus, was für euch das Non-Plus-Ultra für eure Socken ist!
Wenn ihr noch weiter in das Thema Schafrassen und deren Fasereigenschaften eintauchen wollt, hab ich noch ein paar Lesetipps für euch:
„The Fleece and Fiber Sourcebook“ von Deborah Robson & Carol Ekarius
„Schafe und Wolle in Europa“ von Betty Stikkers, Diderica Westerveld und Therese Akkermans